Ich bin ein typischer Wassermann

Bericht aus der Schweizer Illustrierten. Autor: Giuseppe Cerrato.

Happy Birthday, Elisabeth Schnell! Die Schweizer Radiolegende feiert heute ihren Achtzigsten – in beneidenswerter Frische.

Sie will weder Ansagen, Ständchen noch Geburtstagskuchen! Ihren 80. Geburtstag feiert Elisabeth Schnell unaufgeregt. Seit dem 3. November steht sie allabendlich in Heilsarmee-Uniform als Salutistin in der «Kleinen Niederdorfoper» auf der Bühne des Bernhardtheaters in Zürich. «Nach der Vorstellung stosse ich mit einem Gläschen Prosecco mit der Truppe an», sagt die Radiofrau und Schauspielerin, die von 1954 bis 1990 mit Sendungen wie «Nachtexpress», «Espresso» oder ­«Kafi­chränzli» Kultstatus erlangte. Sie wirbelt durch ihre verwinkelte Vierzimmer-Dachwohnung mit Blick auf den ­Zürichberg. Die Wangen rosig, die Haut straff und glatt («das ist der Vorteil, wenn man ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hat»): Die legendäre Radiofrau sieht aus wie 60 und hat das Temperament einer jungen Frau.

Im Büro, das nahtlos ins Wohnzimmer übergeht, herrscht kreatives Chaos. Sie serviert Espresso und Schoggi-Guetsli. Auf dem antiken Nussbaumtisch liegen «Blick» und «Tages-Anzeiger». In Reichweite das Digitalradio und der schwarz glänzende Laptop. Die Frau ist auf der Höhe der Zeit. «Ich werde mir noch ein Flachbildschirm-Fernsehgerät kaufen», sagt sie mir ihrer warmen und angenehmen Stimme, die Generationen von Schweizern durch die Nacht be­gleitet hat. «Der Panasonic bringt es nicht mehr.» Sie scheint kein bisschen müde zu sein, strotzt vor Energie. Aus­ser als sie von Freunden spricht, die für immer gegangen sind. «Ich vermisse Max Rüegger und Heiner Gautschi sehr», sagt sie. 2009 sei ein Abschiedsjahr gewesen. Vor vier Monaten starb auch ihr 15 Jahre ­alter Berner-Sennenhund-Border-Collie-Mischling Cara. «Sie hatte ein wunderschönes Leben und ist einfach so eingeschlafen.»

Doch Elisabeth Schnell ist nicht der Typ, der zu lange in Rührseligkeit verweilt. Dafür lebt sie zu sehr in der Gegenwart. «Ich habe Freundschaft mit zwei Raben geschlossen. Sie sitzen auf dem Baum gegenüber und warten, bis ich aus dem Haus trete. Zuerst fütterte ich sie mit Rüebli, ohne Erfolg! Als ich jedoch mit Cervelat und Käse kam, herrschte Eintracht. Clevere Bürschchen!» Und weil die Grand Old Lady des Schweizer Radios gern Neues lernt («ich bin ein typischer Wassermann»), zeigt sie auf ihr derzeitiges Lieblingsbuch: «Rabenschwarze Intelligenz – was wir von Krähen lernen können.»

Persönlich:
Privat: Elisabeth Schnell ist ledig. Ihre Eltern waren Pächter des Zunfthauses zur Schmieden in Zürich. «Als Kind wollte ich ins Kloster oder ins Gefängnis, weils dort mehr Ruhe gibt»
Karriere: Handelsschule-Diplom. Berufsbegleitend lässt sie sich zur Schauspielerin ausbilden. 1953 lebt Elisabeth Schnell in Rom, posiert auch für Fotoromanzi. Radio­laufbahn: 1954 bis 1990. Ihre Sendungen «Nachtexpress», «Espresso» und «Kafichränzli» sind legendär